Lager und Belagerung

Warum gab es (Feld-)Lager?

Lager im Mittelalter wurden aus verschiedenen Gründen aufgeschlagen. Sei es, dass wichtige Persönlichkeiten beispielsweise auf Wahlfahrten oder Aufsichtsreisen im Reich unterwegs waren oder schlichtweg Städte und Burgen belagert wurden, um militärische oder politische Ziele zu erreichen. Dabei unterschied sich jedoch die Ausstattung und Größe der Lager nach den einzelnen Vorhaben. Teilweise befestigte man aber auch Standorte, die bei wiederkehrenden Reisen regelmäßig aufgesucht wurden, und baute diese aus. Manchmal entwickelten sich auch an diesen Flecken kleinere und größere Ortschaften, die noch heute fortbestehen.

 

Im Umfeld des Reenactments werden häufig Turnierlager oder Belagerungen dargestellt, je nach Zweck sind diese unterschiedlich aufgebaut und organisiert.

Turnierlager

Zwei Kämpfer treten in einem abgesperrten Bereich gegeneinander an, während Zuschauer dem Spektakel folgen.
Edelleute sehen sich einen Zweikampf an, während der Fürst und seine Vertrauten von einer Tribüne zusehen. Quelle: BL Cotton MS Domitian A XVII Psalter of Henry VI (geschrieben: ca. 1405 – 1410)

Ein Turnierlager wurde meist in der Nähe größerer Ortschaften aufgeschlagen, denn die Versorgung der Lagernden war keine einfache Aufgabe. Gerade im Spätmittelalter wurden Turniere, auf denen sich die Edlen und Mutigen in Duellen und Wettkämpfen miteinander maßen, immer beliebter. Schließlich stellte es die perfekte Gelegenheit dar, Ruhm und Ehre zu erlangen und seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

Ein klassisches Turnierlager war sehr bunt und farbenfroh und hier fanden sich meist die wichtigen Adeligen und zahlreiches Gesinde. Im auslaufenden Mittelalter konnten auch einfache Bürgerliche, meist gegen eine hohe Gebühr, ebenfalls an Turnieren teilnehmen und sich außerhalb des eigentlichen Turnierlagers anschließen.

Ein großes Turnierlager mit vielen Zelten, das in der Mitte einen Flanierbereich für die Besucher bereithält. Die Zelte sind reich verziert und mit den Wappen der Edlen versehen.
Ein Turnierlager war meist ein großes Fest. Verschiedene Adelige und reiche Bürgerliche kamen von nah und fern um daran teilzunehmen. Quelle: BNF Français 12559 Le Chevalier errant (geschrieben: ca. 1400)

Das Turnierlager war häufig in mehrere Bereiche unterteilt. Heute wäre ein Turnier mit einem Volksfest vergleichbar, sodass sich auch hier gewisse Parallelen ziehen lassen. Zentral befand sich die Arena, in der die Teilnehmer diversen Wettstreits nachgingen. Für die ranghohen Besucher wurde eine eigene Tribüne aufgebaut, während das einfachere Volk Stehplätze hatte. Außerhalb des Turnierareals befanden sich die Lager der Teilnehmer, häufig in prunkvollen Zelten und mit reichlich verzierten Ausstellungen. Schließlich wollte man jedermann zeigen, wie wohlhaben man war. Angrenzend zu diesem inneren Ring hatten nicht selten diverse Handwerker und Dienstleister ihr Lager aufgeschlagen, um die Edelleute zu versorgen oder schnellen Ersatz für beschädigte Ausrüstung zu ermöglichen.

Auch reisende Händler und allerlei Wandervolk versuchten, einen Teil vom Turnier mitzubekommen und manchmal bildeten sich auch neben Turnierlagern dadurch kleinere Lager.

Im inneren Kreis des Turnierlagers gab es auch eigene Bereiche, die exklusiv für die Turnierkämpfer bereitgestellt wurden. In der Nähe der Tribüne, auf der typischerweise der ranghohe Adel saß, gab es meist eine Art Regal, auf dem die reich verzierten Helmen der Teilnehmer aufgereiht wurden, sodass jedermann sehen konnte, wer beim Turnier antrat. Üblicherweise platzierten die Recken ihre Banner auch in der Nähe der Tribüne. Farbe bekennen war bei den Turnieren sehr wichtig, schließlich wollte man die Gunst der aktuellen Herrscher erringen.

Auf einer Tribüne sitzen mehrere Adlige, die einem Ritterkampf beiwohnen.
Edelleute sehen von einer Tribüne aus den Kämpfern zu. Einen besonderen Platz hatte immer der höchste Adlige. Quelle: BL Additional 12228 Guiron le Courtois (geschrieben: ca. 1352 - 1362)
Edelleute sitzen zu Tisch in einem Zelt und essen, während weitere Soldaten im Lager ebenfalls feiern.
Auf einem Turnier wurde viel gegessen, getrunken und gefeiert. Auch die Landsleute der Edlen durften hier ausgelassen feiern. Quelle: Getty MS. 63 Concerning the Fates of Illustrious Men and Women (geschrieben: ca 1415)

(Feld-)Lager und Belagerungen

In einem offenen Zelt sitzen drei Edelleute zu tisch während sich außenherum Soldaten versammeln.
Die Edelleute haben prunkvoll verzierte Zelte, während die Soldaten sich darum versammelten. Quelle: BGE Ms. fr. 190/2 Des cas des nobles hommes et femmes (geschrieben: ca. 1410)

Anders als die Turnierlager dienten Feldlager der Belagerung. Prunk und Protz waren eher nebensächlich, im Fokus standen die Zweckmäßigkeit und der praktische Nutzen. Von Weiten waren die reich verzierten Zelte im Zentrum des Feldlagers zu sehen, denn die Belagerer wollten auch wahrgenommen werden. Diese Darstellungen von bemalten und verzierten Zelten sind häufig in diversen Miniaturen abgebildet.

 

Anders als man heute gerne annimmt, konnten sich nur die Edelleute Zelte leisten, denn großflächige Leinenbahnen waren damals sehr teuer und schließlich benötigte man ein Gefolge, um alles zu transportieren und aufzubauen. Die einfache Belagerungsmannschaft lebte daher eher in selbstgebauten Behausungen oder einfachen Verschlägen.

Belagerungen waren alles andere als Urlaub. Auch hier ist die Reenactmentszene eher romantisiert, denn in einem Feldlager gab es allerhand zu tun und kaum Freizeit. Belagerungen dauerten meist mehrere Wochen oder gar Monate und so wurde ständig an der Befestigung des Lagers gearbeitet, sei es durch das Ausheben verschiedener Gräben oder Aufstellen von Palisaden. Schließlich wollten die Belagerer nicht einfach vor einer belagerten Stadt oder Burg vom Feind überrannt werden.

In einem Feldlager befindet sich ein Katapult und Soldaten, die mobile Barrikaden bewegen.
Während einer Belagerung fertigte man auch Wurfmaschinen und Schilde an, um die gegnerischen Befestigungsanlagen zu erstürmen. Quelle: WLB HB VI 110 Ordnung des Hofgerichts zu Rottweil (geschrieben: ca. 1435)

Während der Belagerung baute man auch Belagerungswaffen, wie beispielsweise Katapulte, Ballisten oder große Schilde. Eher untypisch waren die in den Filmen häufig gezeigten Belagerungstürme, da diese zu schwerfällig, teuer und anfällig waren, um realistisch eingesetzt zu werden. Auch Rammböcke waren eher unübliche Belagerungswaffen. Um 1420 haben sich bereits Schusswaffen verbreitet und es gab die ersten Vorläufer der späteren Feldkanonen. Diese wurden jedoch nur im beschränkten Umfang eingesetzt, da die Bronzegussverfahren noch nicht so weit ausgereift waren.

Meist war das Feldlager wie folgt aufgebaut: Im Zentrum befand sich der Gefechtsstand, mit bunten, farbenfrohen Zelten, in denen die hohen Adeligen und ihre Abordnungen lebten. Um den Gefechtsstand waren weitere Zelte der wohlhabenden Kämpfer verteilt, die gleichzeitig als eine Art Schutz für den Kriegsherren dienten. Der äußere Ring war von einfachen Soldaten umgeben, die in ihren provisorischen Behausungen lebten.

Es gibt Hinweise darauf, dass in den Zelten der Wohlhabenden Möbel wie Betten, Truhen, Stühle und Tische aufgestellt wurden. Schließlich wollten die hohen Herren einen gewissen Luxus im Felde genießen. Das einfache Fußvolk hingegen hatte dies nicht, denn sie mussten alles, was sie haben wollten, selbst transportieren.

Weitere Impressionen

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