Kleidung um 1420

Hintergrund

Immer wieder werden wir gefragt, was denn die Menschen um 1420 getragen haben. Auf vielen Mittelalterveranstaltungen sieht man entweder ein Sammelsurium aus diversen Epochen oder klassischen Gewändern aus dem Frühmittelalter. Doch das Hoch- und Spätmittelalter sind selten vertreten oder korrekt dargestellt.

 

Die Zeit um 1420 war jedoch modisch, bunt und auffallen experimentell. Gerade in Frankreich hatte sich eine blühende Gesellschaft entwickelt, deren Einflüsse weit über die Landesgrenzen hinausgingen. Der Schwarze Tod (1347 bis 1351) hatte Europas triste Zeit in ein buntes und prächtiges Farbenmeer verwandelt. Die Einwohner Europas wollten wieder fröhlich sein und feiern, und die gesellschaftliche Entwicklung nahm rasch wieder an Fahrt auf.

 

Im Zuge der gesamteuropäischen Entwicklung war auch die spätmittelalterliche Mode ständigen Änderungen ausgesetzt. Es gab zwar Kleidungsstücke, die sich über viele Jahrzehnte etabliert hatten, doch manch andere existierten nur wenige Jahre. Fest steht jedoch, dass es um 1420 sehr bunt zuging, wie auf vielen Gemälden oder Buchmalereien zu sehen ist.

Farben und Gesetze

Obwohl die spätmittelalterliche Gesellschaft farbenfroh und ausgefallen war, gab es auch Einschränkungen. Gewisse Farben oder Kleidungsstücke waren teilweise nur bestimmten Ständen, Berufen oder Geschlechtern zugeordnet. Bei Zuwiderhandlung drohten teilweise empfindliche Strafen.

 

So galt die Farbe Purpur beispielsweise als Königsfarbe und durfte entsprechend nur vom herrschenden Adel getragen werden. Ein eher kräftiges Gelb war für die Damen des leichten Gewerbes bestimmt und es war unschicklich, diese Farbe zu tragen.

 

Teilweise waren auch ganze Kleidungsstücke verboten, wie in der Konstanzer Kleidungsordnung von 1390 oder der Rheinischen Knechtsordnung von 1436 niedergeschrieben wurden. So wurden beispielsweise Gugeln für Frauen verboten, aufwändiger Schmuck über einem bestimmten Wert untersagt oder für manche Handwerker feste Kleidung vorgeschrieben. Über die Jahre haben sich die Regeln und Verordnungen jedoch ständig verändert, sodass häufige Neuauflagen der alten Gesetze existieren.

Was war denn nun in Mode?

Die Frage, was genau getragen wurde, ist einfacher anhand von Bildern zu erklären. Daher haben wir eine entsprechende Auswahl von Abbildungen aus Büchern der damaligen Zeit getroffen, um euch einen besseren Überblick zu geben. Wichtig zu erwähnen ist jedoch, dass es sich hierbei um ein Zeitfenster handelt und nicht immer auf das Jahr exakt festzumachen ist. Weiterhin gilt zu bedenken, dass Bücher damals über mehrere Jahre und teilweise auch von mehreren Autoren verfasst wurden, was eine exakte Zeitbestimmung erschwert.

 

Für weitere, detaillierte Informationen können wir folgende Quelle der State University of New York sehr empfehlen, die sich auf wissenschaftlicher Basis intensiv mit der Kleidung im Mittelalter beschäftigt: https://fashionhistory.fitnyc.edu/ (Anmerkung: Die Quelle ist auf Englisch) (Time Period -> 15th Century)

 

Eine weitere, interessante Bildquelle ist das Buch Tacuinum sanitatis (BNF Latin 9333 Tacuinum sanitatis), das eine Neuauflage eines bereits vorhandenen Werks aus dem 11. Jahrhundert ist und im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts neu geschrieben wurde. Dort sind viele alltägliche Szenen abgebildet, die einen tiefen Einblick in die damalige Gesellschaft geben.  [Anmerkung: Wurden Bücher neu geschrieben, wie beispielsweise die Leidensgeschichte Jesu oder dieses Werk, so haben die Autoren der damaligen Zeit die Bilder in der ihr vertrauten Umgebung skizziert, sprich die Kleidung, Architektur und den Stil der damals üblichen Zeit.] Besonders wichtig ist, dass dieses Buch ursprünglich aus dem Rheinland stammt und daher einen guten Eindruck der deutschen Bekleidung liefert. Typischerweise wurden um 1420 viele Bücher in Frankreich verfasst, da sich die Gesellschaft hier in ihrer Blütezeit befand.

Beschaffenheit und Ausprägung

Hier findet Ihr einschlägige Darstellungen um ca. 1420. Leider sind die Bilder teilweise etwas klein, da sie in den Büchern nicht größer gezeichnet wurden. Es geht jedoch primär darum, Euch eine Idee und Vorstellung davon zu geben, was Frauen und Männer damals getragen haben. Wie Ihr selbst feststellen werdet, sind einige Kleidungselemente wiederkehrend. Typisch waren damals Beinlinge, die mit einer Schnürung an der Hüfte befestigt waren, lange Tuniken, Kleider und einfaches Schuhwerk. Hosen gab es zu dieser Zeit nicht mehr und kamen erst später wieder in Mode. Gängige Kopfbedeckungen waren der Chaperon beziehungsweise die Sendelhaube, der Filzhut oder gebundene Kopftücher. Schmuck war eher selten und wurde meist nur von den Reichen getragen. Das einfache Volk trug eher schlichte Verzierungen.

 

Die Qualität der Stoffe war auch im Mittelalter sehr unterschiedlich. Je feiner das Tuch war, desto teurer wurde es gehandelt. Daher kleideten sich der Adel und der wohlhabende Klerus meist in edle Seide oder Brokat, während die einfache Landbevölkerung sich nur Leinen- oder Wollstoffe leisten konnte. Auch war es damals üblich, beschädigte Kleidung wiederzuverwerten, da die Stoffe wertvoll waren. Die Schuhe waren meist aus Leder, eher untypisch war um 1420 der Holzschuh. Die Menschen in den Städten trugen teilweise Überschuhe um nicht in dem ekelhaften Morast zu versinken, wie Funde aus Frankfurt am Main nahelegen. Auch waren im militärischen Umfeld eisenbaschlagene Sohlen verbreitet, die auf offenem Gelände zu einem besseren Halt führten.

 

Auffällig war, dass die Menschen der damaligen Zeit häufig mehrere Kleidungslagen trugen. Frauen kleideten sich in ein Unterkleid, meist aus einfacher Leine, und ein schönes Überkleid. Männer trugen in der Regel ein einfaches Leinenuntergewand, bestehend aus Bruche und Unterhemd, und ein modisches Obergewand. Je nach Jahreszeit wurden noch weitere Kleidungsstücke angelegt, wie warme Westen, Jacken oder Kopfbedeckungen aus dicker Wolle. Auch im Sommer bevorzugte man lange Kleidung, denn es war zum einen unsittlich, zu viel Haut zu zeigen, zum anderen war es der beste Schutz vor der Sonne.

 

Gürtel oder Hüftbänder galten als fester Bestandteil der damaligen Gesellschaft, denn ohne eine entsprechende Hüftzier galt man als unfrei. Edelleute und Adlige trugen meist Waffen an den Gürteln, während die einfache Bevölkerung ohne großes Gehänge auskam oder eher praktische Dinge mit sich führte.

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