Wenn wir heute von einer Fahne sprechen, denken wir häufig an solche, wie sie beispielsweise auf dem Reichstagsgebäude in Berlin zu finden sind. Auch in der Schifffahrt, im Vereinswesen oder im Sport können wir sie entdecken. Der Zweck ist teils sehr unterschiedlich. Sei es als Signalgeber, als Dekoration oder als Prestigeobjekt.
Doch auch im Mittelalter waren Fahnen weit verbreitet. Sie waren bunt, mit verschiedenen Symbolen versehen und hatten verschiedene Formen und reichten von einfachen Stofffetzen bis hin zu sehr aufwändig verzierten und wertvollen Prunkbannern. Doch welchen Einsatzzweck hatten die verschiedenen Fahnen im Mittelalter? Wir wollen einen kurzen Abriss über die typischen Fahnenarten des Mittelalters, mit Schwerpunkt auf dem Spätmittelalter und passend zu unserer Darstellung um 1420, geben.
Bevor wir mit den einzelnen Fahnentypen beginnen, starten wir zuerst mit Grundsätzlichem. Eine Fahne ist in mehrere Bestandteile aufgebaut. Folgende Grafik zeigt die einzelnen Bestandteile einer Fahne und wie sie genannt werden:
Die Fahne ist mit der Liekseite am Fahnenmast, oder früher am Fahnenschaft, befestigt. Im Spätmittelalter waren Fahnen meist aus Leinen- oder Seidenstoff und je nach Art und Besitzer teilweise sehr aufwändig verziert.
Seide? Ja, denn bereits die Kreuzritter brachten den wertvollen Stoff nach Europa. Für einen Adeligen, und das waren im Mittelalter auch häufig die Bannerträger, war der Stoff erschwinglich. Im Hoch- und Spätmittelalter erhielten auch die Städte, Gilden und Zünfte immer mehr Macht und Reichtum, sodass auch hier vermehrt teilweise sehr wertvolle Fahnen zu finden sind.
Der Ursprung der Fahne reicht bis in die Antike zurück. Bereits die Römer und die Griechen hatten Fahnen an den Standarten ihrer Kampfverbände zur Identifikation angebracht. Der sich immer weiter ausprägende Feudalismus im frühen Mittelalter führte zu einer starken Bedeutung des Adels. Damit einhergehend nahmen auch militärische Konflikte zu. Auch die damals allseits beliebten Turniere zur Unterhaltung der Edlen trug maßgeblich dazu bei, dass die Ritter und Adligen immer mehr ihr Wappen zeigten: Angefangen von Wappenröcken der Ritter über Schabracken ihrer Pferde bis hin zu den Fahnen. Somit war jeder Edle eindeutig erkennbar, was auch einen praktischen Nutzen auf dem Felde mit sich brachte. Uniformen wurden nämlich erst weit nach dem Mittelalter eingeführt und es war nicht selten, dass sich Verbündete gegenseitig bekämpften.
Da eine Fahne immer zwei Seiten hat, stellt sich auch die Frage, wie das Wappen ausgerichtet ist. Wo sieht beispielsweise das Wappentier hin? Ganz einfach: Die Liekseite, also Stockteil, ist immer heraldisch rechts. Das bedeutet, dass das Wappentier immer zum Schaft sieht.
Doch genug der Grundlagen. Nun zu den einzelnen Fahnenarten.
Der bzw. das Gonfanon kommt vom lateinischen gonfalone, was so viel Bedeutet wie „Kriegstuch“ oder „Kriegsfahne“. Das Gonfanon ist am Stockteil an einer Lanze befestigt und meist am Flugteil mit Bändern, Zipfel (spitz zulaufend) oder Lätze (rechteckig zulaufend) verziert. Wichtig ist dabei, dass die heraldische Längsachse im rechten Winkel zur Fahnenstange verläuft (siehe Grafik Abbildungen 1 bis 3). Später haben sich noch weitere Formen daraus abgeleitet (siehe Grafik Abbildungen 6 bis 9).
Der Gonfanon ist typisch für das Rittertum, da es zur damaligen Zeit eine Art Nummernschild war, mit dem sich verschiedene Gruppierungen erkennen konnten. Ihm kommt eine ähnliche Bedeutung wie dem Banner zu (siehe Banner).
Der Gonfanon wurde von einem Gonfanonträger getragen, der die Pflicht hatte, das Gonfanon zu beschützen. Daraus entwickelte sich später der Fähnrich. Ein Gonfanon gehörte zur typischen Kampfausstattung auf Schlachtfeldern und Turnieren.
Gonfanons sind meist aus Leinen oder schwerer Seide gefertigt, mit edlen Stickereien verziert und mit Lederapplikationen versehen.
Eine andere, zeremonielle Form des Gonfanons ist der Gonfalon. Ein Gonfalon ist eine rechteckige Fahne, die an der oberen Kante durch Ringe, bzw. Schlaufen an einer Querstange befestigt ist. An der unteren Kante ist das Tuch mehrfach, in der Regel zwei Mal, eingeschnitten, sodass sich daraus drei Lätze / Hängel / Lappen ergeben, wovon das Mittlere meist länger ist. An der unteren Kante befinden sich auch häufig Fransen. Es gibt auch Varianten, wie beispielsweise auf den Bildern zu sehen, die an der unteren Kante glatt und ohne Zier sind. Sehr selten sind sie unten mehrfach diagonal geschnitten, sodass sich Zacken ergeben.
Gonfalons sind eher zeremonielle Fahnen, die meist aus einem dicken Leinenstoff oder Brokat, teilweise auch aus schwerer Seide gefertigt sind. Typisch sind aufwändige Stickereien und Lederapplikationen.
Heute findet man in Kirchen noch diese Art der Fahnen.
Das Pennon, vom lateinischen penna („Flügel“, „Feder“) ist ein meist dreieckiger Wimpel, der an eine Lanze angebracht ist. Seine Enden sind manchmal spitz zulaufend, meist aber gabelförmig, beziehungsweise schwalbenschwanzförmig. Das Pennon war hauptsächlich der Lanzenschmuck einfacher Ritter. Ist der einfache Ritter im Rang aufgestiegen, so wurde das Ende des Pennons abgeschnitten und am Ende blieb ein rechteckiges Banner übrig. Man sprach auch davon, dass der Ritter zum Bannerherrn wurde.
Das Pennon war meist aus Seide oder Leinen.
Ein Banner war die verbreitetste Form der Fahnen im Mittelalter. Sie waren hochrechteckig bis maximal quadratisch. Auf den Bannern wurden heraldische Inhalte gezeigt. Ein Banner könnte man sich heute als Nummernschild an einem Auto vorstellen, womit jeder Edelmann und Adlige, später auch Städte, Gilden und Zünfte, eindeutig zuordenbar war. Charakteristisch für ein Banner ist die seitliche Befestigung am Stockteil. Auch mehrere Zungen oder eine lange Zunge waren typischerweise daran angebracht.
Das Banner war meist aus Seide oder Leinen. Je nach Stand war es auch teilweise aufwändig bestickt oder verziert.
Eine Abwandlung des Banners ist das sogenannte Auslegerbanner oder auch Galgenbanner. Dabei wird das Tuch noch zusätzlich wie beim Banner an einer Querstange auf der oberen Liekseite befestigt. Dadurch kann der heraldische Inhalt auch bei wenig Wind besser betrachtet werden. Die Verwendung solcher Ausleger war jedoch sehr selten, da die leichte Seide und die Bewegung der Reiterei das Banner meist voll entfaltet darstellten. Auch im Gefecht stellt sich die zusätzliche Stange als hinderlich dar.
Inhalt:
Wissen ist Was: Fahnen & Flaggen, 2007, TESSLOFF VERLAG, ISBN: 978-3-7886-1708-0
Herrschaftssymbole und Fahnen im hoch- und spätmittelalterlichen Imperium: Die Herausbildung unserer heutigen Staatssymbolik im Mittelalter, 2014, Bedey Media GmbH, ISBN: 978-3-8428-4921-1
Historisch-Biographisches Lexikon der Schweiz, 1926, Buchdruckerei Paul Attinger A.G., Link:
http://biblio.unibe.ch/digibern/hist_bibliog_lexikon_schweiz/Egolf_Fazy_001_136.pdf
Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände, Band 5, 1844, F. U. Brodhaus, Link:
Zur Waffenkunde des älteren deutschen Mittelalters, 1867, Druck und Verlag von Gottfried Basse, Link:
Abbildungen:
Abbildung 1: http://manuscriptminiatures.com/media/manuscriptminiatures.com/original/562-7.jpg
Abbildung 2: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c9/Teile_einer_Flagge.svg
Abbildung 3: http://biblio.unibe.ch/digibern/hist_bibliog_lexikon_schweiz/Egolf_Fazy_001_136.pdf, Seite 103
Abbildung 4: http://www5.kb.dk/da/nb/materialer/haandskrifter/HA/e-mss/thalhofer/thott-2_290.html
Abbildung 5: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stafflangen_Pfarrkirche_Kirchenfahne.jpg
Abbildung 6: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3e/Royal_standard_of_King_Charles_I.svg
Abbildung 7: http://manuscriptminiatures.com/media/manuscriptminiatures.com/original/562-9.jpg